Endlich ein spontanes Leben führen
Empfängerinnen von Spender-Organen berichten über neue Qualität des Daseins
Gerolzhofen, 8. Januar 2005
Gerolzhofen -
Eine Organspende ist ein sowohl ethisch als auch medizinisch diffiziler Vorgang an der Schnittstelle von Krankheit, Leben und Tod. Wer ein Organ spendet, gibt über den eigenen Tod hinaus ein Stück Leben weiter an andere Menschen. Wie zum Beispiel an Christine Barth, die vor einem Jahr simultan gleich zwei neue Organe eingesetzt bekam - eine Bauchspeicheldrüse und eine Niere. Oder Anita Schmeußer, die seit zehn Jahren mit einer fremden Niere lebt.
Aufgeräumt sitzen die beiden Gerolzhöferinnen da. Ihre Gesichtsfarbe ist gesund, und sie wirken äußerst vital. Ihr Leben hat sich zum Guten geändert. Sie arbeiten, essen und trinken, reisen und vergnügen sich wieder wie normale Menschen.
Christine Barth hatte schon als Kind Zucker, litt fast 40 Jahre an der Krankheit. Auch die Nieren versagten ihren Dienst. Dreimal die Woche musste sie für vier Stunden zur Blutwäsche ans Dialysegerät. Das bedeutete über viele Jahre hinweg Abhängigkeit von zeitlichen Vorgaben, von den Nebenwirkungen der ständigen Blutreinigung ganz zu schweigen. "Meine schönste Dialyse war die am 12. Dezember 2003", beschreibt Christine Barth den Wendepunkt, den Beginn ihres zweiten Lebens. "An diesem Tag wurde mir gesagt, dass meine Spenderorgane unterwegs sind." Innerhalb von zwölf Stunden musste die Transplantation in der Uni-Klinik Würzburg erfolgt sein. Denn länger als einen halben Tag darf eine Bauchspeicheldrüse nicht außerhalb des Körpers sein. Bei Nieren sind es 24 Stunden.
Sechs Stunden operiert
Die Operation dauerte sechs Stunden und war erfolgreich. Nach zehn Tagen stand fest, dass Christine Barths Körper die neue Bauchspeicheldrüse angenommen hatte. Bei der Niere dauerte das etwas länger.
Beide Organe stammen vom gleichen Spender und wurden postmortal entnommen, also nachdem zwei Ärzte unabhängig voneinander den Tod des Spenders festgestellt hatten. Seinen Namen und wer er/sie war, wird Christine Barth nie erfahren.
Denn hier beginnt die ethische Seite der Organspende. Sie ist ein freiwilliger Akt der Nächstenliebe. Dementsprechend darf nach dem Transplantationsgesetz kein Handel mit Organen entstehen und Geld soll ganz und gar aus dem Spiel bleiben, auch bei Lebendspenden. Die Vermittlung von gespendeten Organen übernimmt Eurotransplant. Dort sind alle Menschen aus Deutschland, Österreich, Slowenien und den Benelux-Staaten gemeldet, die ein Spender-Organ benötigen.
"Für mich war es im Dezember 2003 das schönste Weihnachtsgeschenk, dass jemand über den Tod hinaus einem andern hilft", freut sich Christine Barth und fügt hinzu: "Ich habe meine Freiheit zurückbekommen. Vor der Transplantation habe ich gelebt wie im Gefängnis." Endlich kann die 47-Jährige wieder ihre Lieblingsfrüchte Tomaten essen, so viel sie will. Vorher war das strikt verboten wegen des zu hohen Kaliumgehalts. Einzige kleine Einschränkung für die Organ-Empfängerin: Sie muss alle zwölf Stunden, immer zur gleichen Tageszeit, Immun-Suppressiva nehmen.
"Der Tag war gelaufen"
Einfacher ist das Leben nicht nur für Christine, sondern auch für ihren Mann Klaus Barth geworden: "Früher waren die Nächte sehr unruhig, und nach jeder Dialyse war der Rest des Tages gelaufen."
Dass man mit einem neuen Organ auch über einen langen Zeitraum komplikationslos leben kann, dafür steht Anita Schmeußer. Fast auf den Tag genau neun Jahre vor Christine Barth hat die befreundete Leidensgefährtin ihre Niere bekommen. Drei Jahre hat sie sehnlich auf den Anruf gewartet, der sie vom regelmäßigen Gang zum Dialysegerät alle fünf Stunden befreite. Das war aber immer noch weit unterdurchschnittlich, denn in der Regel warten Kranke sechs bis zehn Jahre auf eine Spender-Niere. Viel schneller ging es mit eineinhalb Jahren bei Christine Barth, weil sie gleich zwei verschiedene Organe brauchte und dadurch weiter oben auf der Dringlichkeitsliste stand.
Rest-Unsicherheit blieb
Zurück blieb nach der Operation bei Anita Schmeußer allerdings noch einige Zeit eine Rest-Unsicherheit, weil der Körper ein fremdes Organ auch nach Jahren noch abstoßen kann. Auch das ist jetzt vorbei. Die 43-Jährige genießt jeden Tag ihrer neuen Freiheit. "Nun kann ich spontan leben und planen. Wenn ich zum Beispiel in Urlaub fahre, muss ich nicht erst schauen, dass irgendwo in der Nähe ein Dialyseplatz ist."
Organspenden haben ihnen zu einem zweiten Leben verholfen: Anita Schmeußer (2. v. l.) lebt seit zehn Jahren mit einer fremden Niere, Christine Barth (rechts) hat vor einem Jahr gleichzeitig Niere
und Bauchspeicheldrüse eingesetzt bekommen.
Verzichtbar ist für beide nun das Dialysegerät
(im Bild mit der Dokumentationspuppe "Manfred").
Mit auf den Foto die Vorsitzende der Interessengemeinschaft
der Dialysepatienten und Transplantierten in Schweinfurt,
Hannelore Seitz, und Manfred Zimmermann (links),
Abteilungsleiter Technische Schulung und Dokumentation bei
der Firma Fresenius Medical Care (FMC) in Schweinfurt, die
die Arbeit des Vereins maßgeblich unterstützt.
Infos für Krankenpflegeschüler in Kitzingen
Schweinfurt, 18. Januar 2005
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