Das zweite Leben in Peter Ziegler
Dialyse-Patient aus Niederwerrn hatte Glück und bekam eine Spender-Niere
Niederwerrn, 9. November 2007
Niederwerrn -
Den "Tag des Mauerbaus" wird Peter Ziegler nicht vergessen: Es war der 13. August, am frühen Morgen, als der Niederwerrner Dialysepatient den erlösenden Anruf erhielt – im Zentrum Operative Medizin der Uniklinik Würzburg läge eine Spender-Niere für ihn bereit.
Ziegler wartete seit zweieinhalb Jahren auf eine Transplantation. "Zwei Jahre, drei Monate und 13 Tage, das weiß man genau." Der 58-Jährige war nach einer schweren Niereninfektion Anfang der 90er Jahre von einem Dialysegerät abhängig. Ziegler, der früher im Freizeitpark Geiselwind gearbeitet hat, setzt sich heute stark für die "Interessengemeinschaft der Dialysepatienten und Transplantierten in Schweinfurt" ein, auch über diese Zeitung.
Nun sitzt der Transplantierte am 9. November, dem Tag des Mauerfalls, in seiner Niederwerrner Wohnung und wundert sich: "Ich hab Dusel gehabt". Eigentlich war das Organ für einen Stuttgarter bestimmt gewesen, der wegen einer Infektion aber nicht operiert werden konnte. Um Viertel Fünf kam Ziegler in der Würzburger Klinik an. Dort bekam er die Niere vor sich aufs Bett gestellt, wo das tiefgekühlte Organ erstmal antauen sollte: "In einer Styroporbox, am Fußende", erinnert sich Ziegler schmunzelnd. Das Sanitäterteam, das die wertvolle Fracht transportierte, wollte offenbar sicher gehen, dass sie beim richtigen Patienten verblieb.
Um 10 Uhr vormittags wurde Ziegler operiert, zwei Stunden lang, es ging alles recht schnell. Jetzt besitzt der Niederwerrner drei Nieren: zwei kranke und das zusätzlich eingepflanzte neue Organ. Nur ein "Shunt" (gesprochen: "Schant"), ein künstlicher Zugang für das Dialysegerät im Arm erinnert an die regelmäßige Blutreinigung: "Ich hab im Prinzip 40 Stunden mehr Zeit in der Woche". Mehr trinken muss und darf er jetzt wieder: drei Liter am Tag. Die Kopfschmerzen sind weg, die ihn seit der Kindheit geplagt haben, der einst gelbe Teint rosig.
Dialysegeräte seien zwar lebensrettend, erläutert Hannelore Seitz vom Schweinfurter Patientenverein. Sie würden neben dem Zeitaufwand und der Abhängigkeit von der Maschine dem Körper aber auch wertvolle Stoffe entziehen, Phosphat und Kalium zum Beispiel. Eine neue Niere ist da fast wie ein neues Leben.
Allerdings: Ziegler muss ständig Medikamente einnehmen, die Abstoßungsreaktionen verhindern sollen, indem sie die Abwehrbereitschaft des Immunsystems herabsetzen. Die Krankheitsanfälligkeit ist dadurch höher. Eine Weile durfte Ziegler seine Kinder nur mit Mundschutz treffen, musste Menschenansammlungen meiden. Aber: "Die harte Phase ist jetzt vorbei." Das neue Organ wird dennoch wahrscheinlich nicht bis zum Lebensende in Zieglers Körper bleiben, da es schneller altert als der Mensch selbst. Vom Spender ist nur bekannt, dass er ein 42 Jahre alter Österreicher war. Wie ist es mit dem Körperteil eines fremden Menschen in der Seite – geht einem so etwas nicht buchstäblich an die Nieren? Nachts, wenn er mal nicht schlafen könne, kämen ihm da schon Gedanken, sagt Ziegler, der aber vor allem eines empfindet: "Große Dankbarkeit". Das Klischee vom verunglückten Motorradfahrer, der "für" einen Patienten stirbt, sei ohnehin falsch, meint Hannelore Seitz. Derartige Unfallopfer kämen als Spender gar nicht in Frage.
Erst der seltene Fall des klinischen Hirntods, bei dem der Körper noch weitgehend intakt ist (und für Laien oft wie lebendig erscheint), ermögliche Transplantationen etwa von Lungen, Lebern, Nieren, Herzen oder Gewebe.
Dass Peter Ziegler seine Niere aus Österreich bekam, sei kein Zufall, vermutet Seitz. Beim südlichen Nachbarn werde jeder Bürger als potenzieller Spender betrachtet, wenn er dies nicht ausdrücklich ablehne – das genaue Gegenteil der deutschen Praxis mit ihren Organspenderausweisen. "Deutschland nimmt mehr Organe als es gibt", kritisiert die Bergrheinfelderin die Gewichtung im Gebiet von "Eurotransplant": Vom holländischen Leyden aus werden die Organe in Mitteleuropa nach Dringlichkeit zugeteilt.
Wichtig sei es, sich als Patient rechtzeitig auf die Bedarfs-Liste einzutragen, rät Ziegler: Mit etwas über zwei Jahren Wartezeit gehörte er eindeutig zu den "Schnellen", im Schnitt sind es sechs Jahre, ein Leidensgenosse in der Würzburger Klinik wartet seit 17 Jahren auf eine Transplantation.
Es ist ein Glücksspiel, denn nur extrem selten stimmen bei zwei Menschen die Organe so annähernd überein, dass sich eine Transplantation lohnt. Um so wichtiger sei die Bereitschaft in der Bevölkerung, nach dem Tod Organe zu spenden, betont Seitz. Der Trend bei den Entnahmen gehe derzeit in Franken und Bayern aber aufwärts, lobt die Vereinsvorsitzende.
Peter Ziegler darf sich glücklich schätzen und tut es auch: Im Garten erfüllt er ein "Gelübde" für den Fall einer erfolgreichen Transplantation – und lässt sich von Hannelore Seitz den Pferdeschwanz abschneiden, den er sich in der Zeit ohne gesunde Niere hat wachsen lassen.
Infos zur Nierenspende
Schweinfurt, 27. November 2007
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