"Es ist ein Paradox zwischen Tod und Leben"

Bild und Text (c): Peter Schmieder, Haßfurter Tagblatt,
Zum Originalartikel

Danke für die Rechte zur Veröffentlichung.

Podiumsveranstaltung im Ganztagsgebäude des Gymnasiums beschäftigt sich mit dem Thema Organspende

Haßfurt - Im Schnitt sterben in Deutschland jeden Tag drei Menschen, weil sie auf eine Organspende warten, die nicht kommt. Grund genug für die Schüler des Projektseminars Ethik am Regiomontanus-Gymnasium Haßfurt, dieses Thema für ihre Podiumsveranstaltung im Ganztagsgebäude „Silberfisch“ auszuwählen.

„Was hat Italienischlernen mit Organspende zu tun?“, fragte Hannelore Seitz. Für sie selbst eine ganze Menge, denn bei einem Sprachkurs für Italienisch hatte sie ihren Mann kennengelernt. Beim ersten Date wollte sie mit ihm Sekt trinken, doch da erfuhr sie, dass er aufgrund von Hepatitis-Erkrankungen keinen Alkohol mehr trinke. Zum ersten Mal hatten die Auswirkungen seiner Erkrankung eine direkte Bedeutung für sie.

Viele Jahre später erlebte sie, wie ihr Mann nach einer Organtransplantation an Multiorganversagen starb. Am Ende hatte er keine Kraft und keinen Lebenswillen mehr. Zuvor hatte er neun Jahre lang auf eine neue Niere gewartet. „Zu lange für seinen angeschlagenen Körper“, sagte sie. Seitdem setzt sie sich als Vorsitzende der Interessengemeinschaft Niere Schweinfurt/Haßberge für Organspende ein und fordert Menschen auf, sich mit dem Thema zu befassen.

Die Zahl an Transplantationen hat in den letzten Jahren dramatisch abgenommen. Lag Deutschland früher im Vergleich verschiedener Länder im Mittelfeld, ist es nun Schlusslicht in Europa. Ein Grund, warum viele Menschen nicht bereit sind, einen Organspendeausweis auszufüllen, sei die Angst, Notärzte würden potenzielle Spender bewusst nicht retten, um Spenderorgane zu produzieren, berichtete die Ärztin Alexandra Greser. „Das kann man verneinen“, betonte sie. So sorge die Rettungskette in jedem Fall dafür, dass kein Patient schlechtere Chancen bekomme, als ein anderer. Zudem erzählte die Ärztin, die bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) arbeitet, etwas darüber, unter welchen Kriterien eine Transplantation überhaupt möglich ist.

Nach der Podiumsveranstaltung konnten die Schüler eine Ausstellung im Vorraum besuchen. Hier sahen sie unter anderem, wie der menschliche Körper von innen aussieht.

Foto: HT-Schmieder

Voraussetzungen für eine postmortale Spende seien der Hirntod eines Patienten sowie dessen Einwilligung – oder die seiner Angehörigen. Das komme insgesamt sehr selten vor, denn nur ein sehr geringer Prozentsatz der Todesfälle beginne tatsächlich mit einem Hirntod. „Früher hieß es noch, wenn jemand riskant auf dem Motorrad gefahren ist: "Hoffentlich ist er Organspender." Heute ist die Verkehrssicherheit besser, da gilt das so nicht mehr“, erzählte sie. So gehe heute nur noch ein geringer Teil der Hirntode auf die klischeehaften Verkehrsunfälle zurück, den Hauptteil machen hingegen Hirnblutungen aus.

Greser widersprach der gängigen Behauptung, der Hirntod sei für die Organspende „erfunden“ worden. Falsch sei auch die Annahme, wer keine Organe spendet, werde stattdessen weiter am Leben erhalten. „Bei einem Hirntod gibt es zwei Möglichkeiten: Den Therapieabbruch oder die Organspende."

Sie sprach zudem über den Organspendeausweis und verwies darauf, dass, sollte kein Ausweis vorliegen, die Frage an die Angehörigen weitergegeben werde. „Es ist eine unmögliche Frage zu einem unmöglichen Zeitpunkt. Aber man muss sie in diesem Moment stellen.“ Die Ärztin ist der Meinung, wer selbst im Zweifelsfall ein Organ empfangen möchte, der solle sich auch Gedanken über seine eigene Bereitschaft zu spenden machen.

Anschließend folgte eine theologische Beurteilung des Themas. Pastor Dr. Urs Espeel berichtete, sowohl für die katholische als auch für die evangelische Kirche gelte ein Hirntoter nicht als „tot“, sondern als „sterbend“. „Es ist ein Paradox zwischen Tod und Leben“, sagte er und betonte, es sei nicht möglich zu sagen, in welchem Moment die Seele den Körper verlasse. So fordere die Theologie weder auf, zu spenden, noch rate sie davon ab.

Im späteren Verlauf der Veranstaltung richtete auch Hannelore Seitz eine kritische Frage an den Theologen: „Würden Sie sagen, dass ein Enthaupteter lebt?“ Espeel sprach daraufhin über Reaktionen des Körpers, die auch nach dem Hirntod bestehen. Alexandra Greser betonte allerdings, dabei handle es sich nur noch um Reflexe, ein Patient habe definitiv kein Schmerzempfinden mehr.

Weiter berichteten Sonja Grünewald, Birgit Seifert und Konrad Eirich, die selbst Organspenden erhalten hatten, sowie Eirichs Frau Dorothea über ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Thema. „Ich hatte gestern meinen zweiten Geburtstag“, betonte Grünewald, welche Bedeutung für sie der Tag der Transplantation hat. „Ich bitte euch, auch wenn ihr noch jung seid, einen Spenderausweis auszufüllen“, lautete Konrad Eirichs Appell an die Schüler.

„Die Durchführung eines Symposiums zu einem medizinethischen Thema“ war die Aufgabenstellung, die die Schüler des Projektseminars zu meistern hatten. „Das Thema Organspende war also noch nicht vorgegeben“, erklären zwei beteiligte Schülerinnen im Gespräch mit dem Haßfurter Tagblatt.

„Ich habe noch keinen Organspendeausweis. Aber jetzt habe ich eine Anregung, darüber nachzudenken“, äußerte sich Andreas Scherbach im Anschluss. Der 17-jährige Schüler lobte die Veranstaltung, die er als Zuhörer besuchte: „Natürlich hat man vielleicht mal im Religionsunterricht darüber gesprochen. Aber hier gab es ein greifbares Beispiel.“ Wichtig wäre ihm vor allem, nach dem Organspendeskandal das Vertrauen in die Medizin wieder zu stärken und Zweifel zu beseitigen.

„Ich habe schon seit August selbst einen Ausweis“, erzählte die 17-jährige Sophia Rein. Sie gehört zu den Mitgliedern des Projektseminars und hat somit das Gespräch mitorganisiert. „Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod. Ich will damit wenigstens etwas Sinnvolles bewirken.“

„Ich habe heute meinen Ausweis ausgefüllt“, erzählte die 17-jährige Alicia Biener. Auch sie hat die Veranstaltung mitorganisiert. „Jetzt bin ich auch überzeugt“, sagte sie, „es ist wichtig, dass sich jeder damit auseinandersetzt.“

Positiv äußerten sich die drei Schüler im Gespräch zu dem in manchen anderen Ländern verbreiteten Modell, bei dem jeder als Spender gilt, so lange er nicht ausdrücklich widersprochen hat. „Ich finde das nicht schlecht, weil trotzdem keiner zur Spende gezwungen wird, aber es zwingt die Leute zum Nachdenken“, begründete Sophia Rein. „Es betrifft euch alle!“

 

zurück zu den Pressemitteilungen