"Das ist meine Niere"


Niederwerrn, 25. August 2006

Niederwerrn - Sein Blut fließt durch dünne Kunststoff-Schläuche. Acht Stunden lang. Dreimal die Woche. Nur wenn Peter Ziegler sich regelmäßig an das Dialysegerät anschließt, kann er überleben. Die Nieren des 57-Jährigen funktionieren nicht mehr. Eine Maschine muss sein Blut reinigen. Doch das Gerät steht nicht etwa in einem Dialysezentrum, sondern bei ihm daheim in Niederwerrn.

"Das ist meine Niere", sagt Peter Ziegler und deutet auf einen etwa zehn Zentimeter langen weißen Kunststoff-Zylinder am Dialysegerät. In seinem rechten Arm stecken zwei Plastik-Schläuche. Die Schläuche, rot von dem Blut, das durch sie fließt, winden sich um einen große Maschine, leiten das Blut in die künstliche Niere, auf die Ziegler zeigt, und schließlich wieder zurück in den Arm des Dialysepatienten.

"Ich mach jetzt den Fernseher an, dann weiß ich genau, wann die acht Stunden 'rum sind", erklärt der 57-Jährige mit der Halbglatze und dem Pferdeschwanz, setzt sich im Schneidersitz auf sein Bett, schaltet den Ton des Fernsehgeräts aus, drückt einige Knöpfe am Dialysegerät und beginnt zu erzählen:

"Das ist jetzt meine 31. Heimdialyse." Seit März 2005 ist er auf die Blutwäsche angewiesen, seit Juni 2006 macht er sie daheim. Vorher musste er ein Dreiviertel Jahr im Dialysezentrum angelernt werden. Das Dialysegerät hat ihm das Dialysezentrum zur Verfügung gestellt. Es zu bedienen ist nicht einfach. Man muss mit der Technik umgehen können, aufpassen, dass das Material steril ist, Protokoll führen - und sich selbst die Nadeln in die Arterien stechen können. "Am Anfang hab ich ganz schön geschwitzt", sagt Ziegler. Aber mittlerweile klappt es schon sehr gut.

"Man kann damit leben, aber daran gewöhnen tut sich kein Mensch", so der 57-Jährige. Er wartet auf eine Spenderniere. "Theoretisch könnte mein Handy jeden Moment klingeln", erklärt er. Theoretisch. Praktisch kann es fast sieben Jahre dauern, bis sich ein Spender findet. Ziegler hat die Blutgruppe AB positiv. Die ist relativ selten. "Wenn ich heute eine Niere kriegen würde, würde ich sie nehmen", sagt er. Bis dahin ist er auf sein Dialysegerät angewiesen.

Seit 1991 hat Peter Ziegler gewusst, dass er irgendwann einmal an die Dialyse muss. Vor 15 Jahren hatte er eine Virusinfektion. Das Virus griff seine Nieren an. Er wurde schwer krank, musste seinen Job in einem Freizeitpark aufgeben. Doch Ziegler gab nicht auf. "Nur durch die Ernährung habe ich die Dialyse fast 15 Jahre rausgezögert", erzählt er.

Doch im vergangenen Jahr ging es nicht mehr. Seine Nieren versagten. Er brauchte die Blutwäsche. Seit 2004 ist Peter Ziegler Frührentner. Doch seine Arbeitswoche hat 30 Stunden. Solange dauert es, sein Blut zu reinigen. "Eine Stunde Vorbereitung, acht Stunden Dialyse, eine Stunde Aufräumen und Maschine reinigen. Dreimal die Woche", erklärt er. "Im Dialysezentrum hat man diese Arbeit nicht, da wird man bedient." Dennoch bevorzugt Ziegler die Blutwäsche daheim: "Man ist ungebundener, kann sich auch nachts an das Gerät anschließen, oder mittags, wenn man abends weggehen will."

Nur ganz allein darf er nicht sein, wenn er sich an das Dialysegerät anschließt. Meistens assistiert ihm seine Frau, diesmal geht im sein Bruder zur Hand. "Ich brauche immer eine Aufsichtsperson, sonst ist es zu gefährlich", sagt er. Vor allem nachts, wenn er schlafe. Wenn die Nadel unbemerkt aus der Arterie rutsche, könne er innerhalb von einer halben Stunde verbluten.

Das Blut fließt durch seinen rechten Arm schneller als bei anderen Menschen. "Bei mir fließen 400 bis 500 Millimeter die Minuten durch, normalerweise sind es 80", erklärt er. Bei Dialysepatienten werde in einer Operation die Vene auf die Arterie geklemmt, "damit mehr Blut durchläuft", so Ziegler. "Ich muss auf meinen rechten Arm aufpassen. Wenn ich mich dort schneide, spritzt das Blut."

Auch wenn der 57-Jährige durch die Dialyse eingeschränkt ist, gibt es doch viele Dinge, die er machen kann. Er fährt Motorrad, reitet und fliegt in den Urlaub. "Seit ich Dialyse mache, geht das alles wieder. Vorher hatte ich wegen der Vergiftungserscheinungen oft nicht die Kraft dazu." Nur beim Reisen müsse man mehr als gewöhnlich organisieren. "Man muss sich vor Ort ein Dialysezentrum suchen und abklären, ob zu der Zeit Termine frei sind", erklärt er. Dann sei das aber kein Problem. Im Mai war er zusammen mit der "Interessengemeinschaft der Dialysepatienten und Transplantierten in Schweinfurt e.V." auf Kreta. "Es war super. Ich bin vorher noch nie geflogen."

Bald fährt er mit dem Dialyseverein nach Berlin - auf Einladung des Bundestags. Und nächstes Jahr soll es in die Türkei gehen. "Wenn man krank ist, kommen einem seltsame Gedanken", sagt Ziegler und lacht. "Früher habe ich immer Urlaub in Deutschland gemacht, jetzt will ich die Welt sehen."


"Man kann damit leben, aber daran gewöhnen tut sich kein Mensch." - Peter Ziegler bei der Dialyse bei sich daheim in Niederwerrn.

"Unser Agip wartet auf eine Niere"
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